„Wer oder was ist ein Walser?“
Was bedeutet es im 21. Jahrhundert, ein Walser oder eine Walserin zu sein? Diese Frage stellt die aktuelle Sonderausstellung im Museum Huber-Hus in Lech.
Die deutsche Kulturanthropologin Ina-Maria Greverus beschreibt Identität als Wechselwirkung zwischen dem Selbst und den Anderen. Dabei hat sie die Identitätsformel „sich erkennen, erkannt werden und anerkannt werden“ aufgestellt (vgl. Greverus, 1996: S. 100). Versucht man diese Formel auf das Walsertum anzuwenden und durch eine kulturanthropologische Brille zu betrachten, rücken historische „Fakten“, die derzeit immer wieder diskutiert werden, eher in den Hintergrund und die symbolischen Bedeutungen von Zeichen und Praktiken treten in den Vordergrund. Unter Zeichen versteht man zum Beispiel unterschiedliche Kleidungsstile und unter Praktiken unterschiedliche Bräuche. Diese Zeichen und Praktiken bilden einen Verständigungscode und können aufgeschlüsselt werden in Symbole mit einer speziellen Bedeutung und Rituale, die eine Verständigung auf der Handlungsebene darstellen (vgl. Kaschuba, 2003: S 184). Symbole und Rituale sind die Grundlage für ein „sich erkennen“, da sie normalerweise nur von einer spezifischen Gemeinschaft entschlüsselt werden können.
In der Ausstellung werden daher verschiedene Darstellungsformen gezeigt und nach ihrer Symbolkraft befragt. In der künstlerischen Darstellung des Walserzugs zum Beispiel kommt die Wechselwirkung zwischen sichtbarer und gedanklicher Bildlichkeit zum Vorschein. Die einzelnen Bildmotive, die in den Gemälden und Bildern zu finden sind, werden in eine gedankliche Bildlichkeit übertragen und wiederum in Form von Objekten materialisiert. Was kann das bedeuten? Auf vielen Abbildungen des Walserzugs sind Menschen mit ihrem kompletten Hab und Gut abgebildet. Beim 16. Internationalen Walsertreffen in Alagna wurde ein Rucksack überreicht, um die mühevolle Zuwanderung zu unterstreichen. Dieses Wechselspiel zwischen Imagination und Reproduktion zieht sich durch viele Objekte, die in der Ausstellung gezeigt werden und sind wiederum Grundstein für ein „Anerkannt- werden“ im Sinne von Greverus. Mit der Institutionalisierung des Walsertums durch die Walservereinigungen wurde das „Anerkannt-werden“ besiegelt und das Symbol- und Ritualrepertoire weiter ausgebaut. So können die alle drei Jahre stattfindenden internationalen Walsertreffen oder die seit 1989 alle zwei Jahre stattfindenden Walser Skimeisterschaften per se als Ritual beschrieben werden, die ein kollektives Gemeinschaftsgefühl herstellen.
Was bedeutet es im 21. Jahrhundert, ein Walser oder eine Walserin zu sein? Diese Frage stellt die aktuelle Sonderausstellung im Museum Huber-Hus in Lech.
Die deutsche Kulturanthropologin Ina-Maria Greverus beschreibt Identität als Wechselwirkung zwischen dem Selbst und den Anderen. Dabei hat sie die Identitätsformel „sich erkennen, erkannt werden und anerkannt werden“ aufgestellt (vgl. Greverus, 1996: S. 100). Versucht man diese Formel auf das Walsertum anzuwenden und durch eine kulturanthropologische Brille zu betrachten, rücken historische „Fakten“, die derzeit immer wieder diskutiert werden, eher in den Hintergrund und die symbolischen Bedeutungen von Zeichen und Praktiken treten in den Vordergrund. Unter Zeichen versteht man zum Beispiel unterschiedliche Kleidungsstile und unter Praktiken unterschiedliche Bräuche. Diese Zeichen und Praktiken bilden einen Verständigungscode und können aufgeschlüsselt werden in Symbole mit einer speziellen Bedeutung und Rituale, die eine Verständigung auf der Handlungsebene darstellen (vgl. Kaschuba, 2003: S 184). Symbole und Rituale sind die Grundlage für ein „sich erkennen“, da sie normalerweise nur von einer spezifischen Gemeinschaft entschlüsselt werden können.
In der Ausstellung werden daher verschiedene Darstellungsformen gezeigt und nach ihrer Symbolkraft befragt. In der künstlerischen Darstellung des Walserzugs zum Beispiel kommt die Wechselwirkung zwischen sichtbarer und gedanklicher Bildlichkeit zum Vorschein. Die einzelnen Bildmotive, die in den Gemälden und Bildern zu finden sind, werden in eine gedankliche Bildlichkeit übertragen und wiederum in Form von Objekten materialisiert. Was kann das bedeuten? Auf vielen Abbildungen des Walserzugs sind Menschen mit ihrem kompletten Hab und Gut abgebildet. Beim 16. Internationalen Walsertreffen in Alagna wurde ein Rucksack überreicht, um die mühevolle Zuwanderung zu unterstreichen. Dieses Wechselspiel zwischen Imagination und Reproduktion zieht sich durch viele Objekte, die in der Ausstellung gezeigt werden und sind wiederum Grundstein für ein „Anerkannt- werden“ im Sinne von Greverus. Mit der Institutionalisierung des Walsertums durch die Walservereinigungen wurde das „Anerkannt-werden“ besiegelt und das Symbol- und Ritualrepertoire weiter ausgebaut. So können die alle drei Jahre stattfindenden internationalen Walsertreffen oder die seit 1989 alle zwei Jahre stattfindenden Walser Skimeisterschaften per se als Ritual beschrieben werden, die ein kollektives Gemeinschaftsgefühl herstellen.
Eine Besonderheit der Ausstellung ist, dass die Besucherinnen und Besucher aufgefordert sind, selbst aktiv zu werden. In zwei Ausstellungsräumen können sie ihre „Walseransichten“ und „Walsergedanken“ schriftlich hinterlassen. Während der Wintersaison wurden bereits interessante Botschaften gesammelt. Exemplarisch soll eine Notiz erwähnt werden: „Distanz-Walserin? Zugeborene- Walserin? Auf jeden Fall, trotz nur – Kindheit in Lech, Herz-Walserin. […]“ Welche Botschaft würdet ihr hinterlassen?
In einem weiteren Ausstellungsraum besteht die Möglichkeit „Walserisch“ zu hören und zu sprechen. Auf einer Aufzeichnung aus dem Jahre 1958 vom österreichischen Phonogrammarchiv hört man ein Gespräch zwischen der Lecherin Filomena Walch und dem in Lech geborenen Egon Zimmermann. Sie unterhalten sich über unterschiedliche Themen: die ersten Skifahrer, Trachten oder den Aufstieg der Hotellerie. Diese Aufnahme soll die schnelle Veränderung der Sprache in Lech verdeutlichen und „hörbar machen“. Ein Mikrofon, das für die Besucher bereit steht, versucht den Ist-Zustand zu dokumentieren. Hier werden die Besucherinnen und Besucher aufgefordert, etwas in „ihrem Walserdialekt“ aufzunehmen. Während der Wintersaison hat sich bereits die große symbolische Macht der Sprache bewahrheitet. Im Unterschied zu den schriftlichen Botschaften hält sich die mündliche Teilnahme in Grenzen. Auf die Aufforderung, etwas auf das Tonband zu sprechen, reagieren viele mit der Antwort: „Ich kann doch kein richtiges Walserisch“. In dieser Aussage ist ein kulturwissenschaftlich strittiger Begriff enthalten, nämlich „richtig“. Begriffe wie „richtig“ und „authentisch“ beziehen sich auf eine Hierarchie und verweisen auf einen weiteren strittigen Begriff des „Echten“. Was ist „echt“, was ist „falsch“ und wer bestimmt, was „echt“ und „falsch“ ist? Hier zeigt sich ein Verständnis von Kultur als starres, unbewegliches Gebilde und nicht als dynamischer Prozess, der sich in einem ständigen Wandel befindet. Denn was war vor 700 Jahren walserisch? Diese Bruchlinien zwischen gelebtem und imaginiertem Walsertum versucht die aktuelle Sonderausstellung herauszuarbeiten und darzustellen.
Die Ausstellung kann bis 26. September 2013 im Museum Huber-Hus in Lech besucht werden und ist dienstags, donnerstags und sonntags von 15.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.
Mag. Thomas Felfer, Lech
Literatur
Greverus, Ina-Maria: Identitäten zwischen Erinnerung und Integration, In: Narodna umjetnost 33/2, 1996, Croatian Journal of Ethnology, Zagreb, 1996
Kaschuba, Wolfgang: Einführung in die Europäische Ethnologie, 2. aktualisierte Auflage, München, 2003
Dieser Artikel ist in Heft 93 der „Walserheimat“ zu finden.