Wer sind die Walser?

Vor etwas mehr als 700 Jahren kam es aus bis heute weitgehend unbekannten Gründen zu einer verstärkten Auswanderung von alemannisch sprechenden Siedlern aus dem Goms, d.h. dem oberen Rhonetal im heutigen Schweizer Kanton Wallis, in zunächst angrenzende und später auch weiter entfernte Gebirgstäler. Überbevölkerung und Versorgungsprobleme dürften Ursachen gewesen sein, vielleicht auch kriegerische Auseinandersetzungen.

Eine wichtige Rolle spielte aber der gute Ruf der Auswanderer als Spezialisten für die Besiedlung von Hochtälern, die bei der einheimischen Bevölkerung als zu unwirtlich galten. Das machte sie bei den jeweiligen Landesherren zu begehrten Kolonisten, die mit Steuerfreiheit und Sonderrechten gelockt wurden, um ungenutzte Landstriche urbar zu machen und damit vor allem die Handelswege über die Alpen zu sichern, die damals weithin von Räubern und Wegelagerern heimgesucht wurden.

Im Laufe von etwa 100 Jahren zogen die Auswanderer aus dem Wallis in alle Richtungen und ließen sich in manchmal ausgesprochen abgelegenen Tälern nieder. Das damals wärmere Klima dürfte diese Wanderungen begünstigt haben, auch weil viele hochgelegene Alpenpässe im Sommer schneefrei und leicht begehbar waren. Von den teilweise romanisch sprechenden Einheimischen wurden die Neuankömmlinge „Walser“ genannt und waren oft alles andere als willkommen.

Im Zuge ihrer Wanderungen kamen die Walser in die an das Wallis angrenzenden Regionen, im Osten nach Graubünden und später nach Vorarlberg, im Süden in die Region um den Monte Rosa und das Aostatal, im Norden ins Berner Oberland und im Westen bis nach Savoyen. Wohin sie kamen, errichteten sie Dörfer und Siedlungen in einer Bauweise, die auch heute noch als typisch walserisch erkennbar ist.

Wegen der vielfach sehr abgeschiedenen Lage ihrer Siedlungen, die bis in die jüngere Zeit manchmal nur über Saumpfade erreichbar und im Winter oft monatelang von der Außenwelt abgeschnitten waren, konnten die Walser ihre Sprache und viele ihrer Gebräuche bis in die Gegenwart bewahren. Auch wenn die in den Walserdörfern gesprochene Mundart durchaus nicht einheitlich ist, unterscheidet sie sich meist deutlich von der in den nicht-walserischen Nachbarorten. Vielfach, besonders in Graubünden und in Italien, bilden die Walsersiedlungen auch heute noch Sprachinseln im romanischen oder italienischen Sprachgebiet.

In der Moderne begannen Sprache, Überlieferungen und Gebräuche der Walser vielerorts zu verschwinden. Unter dem Einfluss der Industrialisierung und des Tourismus, höherer Schulbildung und der Medien gerieten die alten Sitten und die Mundart unter erheblichen Druck. In der Mitte des vergangenen Jahrhunderts begann jedoch bei den Walsern ein Bewusstsein für diese Zusammenhänge zu erwachen. Unter anderem führte das zur Gründung von Walservereinigungen, die sich mit Walsertreffen, kulturellen Veranstaltungen und mit Hilfe des Internets dieser Tendenz mittlerweile erfolgreich entgegenstellen.