Galtür 1320 – „Homines dicti Walser“

Eintragung aus dem Jahr 1320 des Jacobus Moser, Pfleger zu Nauders, im Rechnungsbuch. Original liegt im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München, „Tirol“ n. 11, fol. 88a.

 „Nota postmodum anno domini MCCCXX homines dicti Walser de Cultaur advenientes, nunc manentes in pertinenciis officii Nauders dabunt pro novo censu de terra libras XII omni anno de quibus iudex in Nauders debebit facere rationem.“

(Beachte: Nachdem im Jahre 1320 die Leute, welche Walser genannt werden, nach Galtür gekommen sind und nun ständig im Kompetenzbereich des Gerichtes Nauders bleiben, werden sie als neuen Bodenzins zwölf Pfund jährlich abführen, worüber der Richter in Nauders Rechnung legen wird.)

So lautet eine kaum zu entziffernde Notiz des Nauderer Richters Jacobus Moser im Rechnungsbuch Heinrichs von Tirol. Durch diese Eintragung erfahren wir vom Erscheinen der Walser inmitten der Allmende am Zusammenfluss des Vermunt- und Jambaches.

Das Auftauchen der Walser in Galtür ist eine der rätselhaftesten Episoden in der Geschichte der Kolonisten aus dem oberen Wallis. Galtür ist die östlichste aller Walsersiedlungen, die von der Heimat im Rhônetal am weitesten entfernt ist und die einzige in Tirol. Die Walser müssen zwischen 1310 und 1315 nach Galtür gekommen sein. Dafür spricht die Überlegung, dass es im Mittelalter  üblich war, „vom Neubruchland nicht sogleich einen Zins oder Zehnten einzuverlangen. Von Beginn der Rodung und Urbarmachung an, einer Phase mühsamer Auseinandersetzung mit dem wilden  Boden, ließ man einige Zeit verstreichen, bis sich ordentliche Erträge einstellten. Diese Frist betrug in der Regel zehn Jahre.“  Die Walser erschienen in Galtür also gleichzeitig, wenn nicht sogar schon vor den Walsern in Vorarlberg. Die ersten Ansiedlungen aus Damüls und Laterns sind für 1313 bezeugt, die Walser am Tannberg und in Mittelberg sind wahrscheinlich vor 1348 eingewandert. Bei den späteren Galtürern handelte es sich also um eine Gruppe, die an anderen geeigneten Siedlungsplätzen vorbei ins innerste Paznaun geführt wurde.

Interessant ist auch die Lage der Siedlung. Die Walser in Galtür haben sich nicht in irgendeiner Extremlage – in den letzten „Wildnussen und Höhinnen“ – niedergelassen, sondern inmitten eines – im Verhältnis zur Höhenlage – fruchtbaren Talbodens. Die Alteingesessenen blieben in den Randlagen, sie mussten zu den Walsern hinabsteigen, nicht umgekehrt. Die Gegend des heutigen Dorfkerns von Galtür mag zwar um 1310 noch dicht bewaldet und manchmal überschwemmt gewesen sein – die Tatsache, dass schon 1360 am Zusammenfluss von Vermunt- und Jambach mit dem  Bau der ersten Kirche begonnen worden ist, beweist indessen, dass man hier schon „festen Grund unter den Füßen“ hatte.

Weiheurkunde aus dem Jahr 1383: Bischof Johannes II. von Chur weihte die erste Kirche in Galtür. Die Originalurkunde liegt relativ gut erhalten im Pfarrarchiv Galtür.
Weiheurkunde aus dem Jahr 1383: Bischof Johannes II. von Chur weihte die erste Kirche in Galtür. Die Originalurkunde liegt relativ gut erhalten im Pfarrarchiv Galtür.

Ein zweites interessantes Dokument ist die Weiheurkunde der ersten Kirche von Galtür von Bischof Johannes II. aus dem Jahr 1383. Nicht weniger als viermal bezeichnet der Bischof in dieser  Urkunde die Galtürer als „incolis“ und „vallensis“, also als „Einwohner“ und als „Walser“. Die Walser waren anscheinend, rund 70 Jahre nach ihrer Einwanderung, immer noch die „Fremden“, die es von den Einheimischen zu unterscheiden galt.

Auszug aus der sinngemäßen Übersetzung der Weiheurkunde:

In Christi Namen, Amen. Wir, Johannes, von Gottes und des Apostolischen Stuhles Gnaden Bischof von Chur, tun allen Christgläubigen, gegenwärtigen und künftigen, kund, dass wir auf Bitten der frommen Bewohner und Walliser des Tales, das als Cultura bezeichnet wird – in der Nähe des Tales gelegen, das man Paznaun nennt – ihre neue, mit eigenen Mühen und Kosten in einer ziemlich abgelegenen, beschwerlichen und waldreichen Gegend errichteten Kirche samt Friedhof eingeweiht haben, zu Ehren der heiligsten Mutter Gottes, der Jungfrau Maria, welche sowohl jene Bewohner und Siedler, als auch (andere) gläubige Christen in jenem Ort und Tempel als Anwältin der Mühseligen zu verehren und anzurufen begannen. (…)

Außerdem haben wir, in lebhafter Erinnerung an die Mühe, den Weg und die Gefahren der Wege, denen wir uns bei der Annäherung an den zu weihenden Ort ausgesetzt haben, eingesehen sowie mit eigenen Augen festgestellt, dass diese Einwohner und Walser einen eigenen Kaplan und Priester benötigen, (…) daher genehmigen wir ihnen (…), dass sie von nun an selbst einen ausgezeichneten und ehrsamen Priester aufnehmen und bestellen können (…)

DDr. Nikolaus Huhn, Hard