Der Erste Weltkrieg in Galtür

Erich Lorenz (1923-1996), Gastwirt vom Hotel Alpenrose, Landwirt und Chronist der Gemeinde Galtür, hat bis zu seinem Lebensende eine sehr ausführliche Chronik geführt. In zwei Büchern hat er auf jeweils zirka 800 Seiten handschriftlich die Chronik von Galtür geschrieben. Auf Basis verschiedener mündlicher Berichte schrieb er auch über den Ersten Weltkrieg in Galtür. Der folgende Bericht umfasst die Seiten 499 bis 511 seiner handgeschriebenen Chronik. Als Dank und Anerkennung für seine Leistungen verlieh ihm die Gemeinde Galtür im Jahr 1995 das silberne Ehrenzeichen der Gemeinde.

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Gehört das Kleinwalsertal überhaupt zu Österreich?

 Auf der Suche nach einer Identität

„Ihr seid ja lieber Deutsche als Österreicher.“ „Als es noch den Schilling gab, habt ihr diesen nicht angenommen, ihr wolltet damals nur Mark.“ „Bei Wahlen wählt ihr in Deutschland, oder?“ Immer wieder wird man als Kleinwalsertaler mit diesen und ähnlichen Fragen und Aussagen konfrontiert. Vor allem als Jugendlicher und junger Erwachsener ärgerte ich mich über dieses Bild der Gemeinde Mittelberg (Kleinwalsertal) im übrigen „Ländle“. Bei einem Kurs des Wirtschaftsförderungsinstitutes 1992 muss ich mich derart darüber aufgeregt haben, dass sich beim nächsten Kurstag eine Teilnehmerin bei mir entschuldigt hat. Immer wieder nehme ich dieses Rollenbild meines Heimattales mit Verwunderung wahr. Bei der Siegerehrung der Internationalen Walser Skimeisterschaften im Laternsertal 2013 begrüßte die Musik die „Walser aus Deutschland“. Der ansonsten aufbrausende Jubel unterblieb und die Musiker schauten etwas verwundert in die Runde. Hatten sie die Walser aus dem Kleinwalsertal gemeint? In einer Masterarbeit aus dem Jahr 2011 wird die Gemeinde dann gleich ganz nach Deutschland verortet.

Woher kommt dieses Bild des Tales? Versuchen wir, diesem sehr emotionalen Thema sachlich zu begegnen. Von den in der Gemeinde Mittelberg 4.846 gemeldeten Bürgern mit Hauptwohnsitz sind 2.774 oder 57,2 Prozent Österreicher und 1.381 oder 28,5 Prozent deutsche Staatsbürger. 265 Personen oder 5,5 Prozent stammen aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens. Die nächst größere Gruppe sind mit 140 Personen oder 2,9 Prozent die Ungarn. 28,5 Prozent deutsche Staatsbürger scheinen schon ein recht großes Indiz für eine tendenzielle Wahrnehmung als „Deutsche“ zu sein. Werfen wir noch einen Blick in die Geschichte. Am 1. Mai 1891 trat der sogenannte Zollanschlussvertrag in Kraft. Vereinfacht gesagt blieb das Tal zwar österreichisches Hoheitsgebiet, wurde wirtschaftlich aber an Deutschland angeschlossen. Die Zollgrenze wurde hinter die Gemeindegrenze verlegt. Dieser für die Gemeinde Mittelberg äußerst wichtige Vertrag und dessen Auswirkungen tragen vermutlich die „Hauptschuld“ an der Wahrnehmung des Tales als sehr „deutsch“. Vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union betraf das einerseits die Einfuhr von Gütern, hauptsächlich aus Deutschland, und vor der Einführung des Euro die deutsche Währung. So haben sich Bezeichnungen wie Quark, Aprikosen oder Tesa im Sprachgebrauch etabliert, ohne dass es die Bürger als „nicht österreichisch“ einstufen. Mit Bezeichnungen wie Tixo, Soletti oder Qimiq wissen im Gegenzug viele nichts anzufangen. Mit der rasanten Entwicklung des Tourismus siedelten sich bereits Ende der 1920er- und speziell zu Beginn der 1930er-Jahre viele „Reichsdeutsche“ im Tal an. Im Jahr 1933 wohnten 384 oder 21,7 Prozent deutsche Bürger im Tal. Sie brachten meist Kapital mit und waren oft Pioniere des neuen Wirtschaftszweiges. Andererseits war zu dieser Zeit die alteingesessene Bevölkerung noch sehr landwirtschaftlich geprägt. 1934 gründeten 400 Einheimische den österreichisch patriotischen „Walserbund“, welcher „der bedrohten Heimat und ihrem Volkstum unverbrüchliche Treue“ schwor.

Gerne werden die nie verwirklichten Straßenprojekte zitiert, um aufzuzeigen, dass die Kleinwalsertaler nicht zu Vorarlberg bzw. Österreich gehören wollten bzw. wollen. Bei allen geplanten größeren Straßenbauprojekten ging es allerdings um größere Zusammenhänge und nicht primär um die Anbindung des Tales an das Land. Der erste Denkansatz entstand bereits beim Bau der Flexenstraße, geplant wurde später die sogenannte Widdersteinstraße im Großdeutschen Reich. Die französische Besatzung nahm die Planungen zunächst wieder auf, hatte aber das Interesse nach Abzug der letzten französischen Soldaten aus dem Tal schnell verloren. Auch bei den Planungen in den 1960er-Jahren ging es der Landesregierung nicht unbedingt um die Verbindung des Tales mit dem Land, sondern um eine „Fremdenverkehrs- Transversale Oberstdorf – Davos“. Die auch als „Walser Transversale“ bezeichnete Straße sollte von Oberstdorf durch das Kleinwalsertal in den Bregenzerwald, über Damüls in das Große Walsertal und durch das Montafon bis nach Davos im Prättigau führen. Sie sollte als Ausflugsstrecke für eine Attraktionsbereicherung in den Tourismusregionen Allgäu, Bregenzerwald, Großes Walsertal, Montafon und Prättigau sorgen und die Wirtschaft ankurbeln. Ablehnung kam nicht nur aus dem Kleinwalsertal, sondern auch aus dem Allgäu, Bregenzerwald und Montafon. Selbst bei Verwirklichung einer dieser Projekte wäre der Weg ins „Land“ länger als in den nahen deutschen Nachbarort Oberstdorf geblieben.

Blick vom Bärenkopf nach Norden ins Kleinwalsertal mit dem Allgäu im Hintergrund, Foto: Jodok Müller

Von außen betrachtet könnte es wirklich so aussehen, als ob die Kleinwalsertaler lieber Deutsche wären. Verstärkt wird dies zusätzlich dadurch, dass bei einem Anteil von 28,5 Prozent deutscher Staatsbürger, Gästen, Saisonpersonal und vielen verwandtschaftlichen Vermischungen von doch einigen kein ausgeprägter Dialekt mehr gesprochen wird. Dennoch sind interessanterweise gerade jüngere Menschen bemüht, die Walser Sprache zu pflegen.

Wie sieht aber die Sicht der Einheimischen aus? Ein Blick in meine eigene Kinderstube: Meine Geschwister und ich wurden von meinen Eltern vor allem als „Walser“ großgezogen. Es wurde bei uns die „VN“ (Vorarlberger Nachrichten) gelesen, obwohl sie erst nach Mittag mit der Post kam und verglichen mit dem Allgäuer Anzeigeblatt kaum über das Tal berichtete. Bei Skirennen war mehr als klar, dass wir Österreicher sind – unser erstes großes Idol war Franz Klammer. Nur mein Vater scherte aus, er war bekennender Schweizer Fan. Meiner Tante, die ein Café betrieb, war es besonders wichtig, Gäste aus dem „restlichen Vorarlberg“ bevorzugt zu behandeln. Da es keine höhere Schule im Tal gibt, entschloss ich mich, nach der Volksschule das Gymnasium in Oberstdorf zu besuchen. Auch wenn viele Freundschaften entstanden, wurde uns damals deutlich zu verstehen gegeben, dass wir „Ausländer“ sind.

Ein Einzelfall? Auf eine nicht repräsentative E-Mail-Umfrage, die ich an mir bekannte E-Mail-Adressen versandte, bekam ich eine überraschend hohe Zahl an Rückantworten. Der Wortlaut meiner E-Mail: „Da ich relativ oft im ‚übrigen Ländle‘, sei es privat oder geschäftlich, zu tun habe, werde ich immer wieder mit der Frage konfrontiert: ‚Ihr im Kleinwalsertal seid irgendwie Deutsche, oder?‘ Geht es euch auch so und wie antwortet ihr spontan auf diese Frage?“ Ein paar Auszüge sollen auch hier erwähnt sein:

  • … auch wenn ich mich eher als Allgäuerin sehe, bin ich stolz auf meinen österreichischen Pass. Von Österreich habe ich auch nie wirklich viel mitbekommen (außer der Telefonnummer und der doppelten Postleitzahl). Das liegt vermutlich daran, dass ich seit der Volksschule nur in Schulen im Allgäu gegangen bin und mir da meinen Freundeskreis aufgebaut habe.
  • … na mir send Walser, und stolze Ööschtriicher.
  • Natürlich zu Österreich, ist meine Antwort!
  • Leider kann ich Dir da nicht weiterhelfen, weil bei mir stimmt´s ja – mit Deutsch 🙂
  • Eine interessante Frage, die ich mir selber auch schon gestellt habe und die auch unsere Kinder (vor allem die Große, die im Gymnasium ist) durchaus beschäftigt. Ich für meinen Teil fühle mich irgendwie „weder noch“. Bajuwarische Österreicherin vielleicht ;-).

Die am meisten gesandte Antwort war „Mir send Walser!“, die bei manchen noch mit dem Zusatz „und dann Österreicher“ ergänzt wurde. Eine sehr interessante und ausführliche Antwort erhielt ich von einem Geschäftsmann, der ebenso angab, dass er bei seinen Vorarlberger Geschäftspartnern antworte: „Wir sind Walser! Unser besonderer Stolz ist der Grund, warum wir über solche Frotzeleien ohne Probleme hinwegsehen können.“ Er glaubt, dass es daher kommt, weil die meisten Vorarlberger das Kleinwalsertal nicht gut kennen. „Das Ungewisse hinterm Berg … ist eben alles deutsch.“ Zum anderen war das Kleinwalsertal gerade in der Zeit vom Anfang des Tourismus bis hin zum EU-Anschluss extrem nach Deutschland orientiert.

Aber auch wir Kleinwalsertaler waren und sind dem Rest von Vorarlberg oftmals nicht so zugetan. Denn wenn man etwas mit Vorarlberg zu tun hatte oder hat, dann war oder ist es meistens etwas Unangenehmes: Gericht, Bezirkshauptmannschaft, Finanzamt Militär. Aber auch auf der anderen Seite (Allgäu) tut man sich nach wie vor schwer mit dem Kleinwalsertal. Wenn die „hüüra Walser“ draußen etwas kaufen ist alles OK, aber ansonsten herrscht Eiszeit. Aber dies beruht auf Gegenseitigkeit. Wir bezeichnen die Allgäuer immer noch herablassend als „Schwaben“. Im wirtschaftlichen Bereich haben die Kleinwalsertaler den großen Vorteil des florierenden Tourismus. Dies lässt sie natürlich gegenüber den Nachbarn oft sehr stolz wirken, weshalb dann auch Neid eine Rolle spielen kann. So nach dem Motto: Eigentlich brauchen wir keine „Gsiberger“ und auch keine „Allgäuschwaben“, denn die wollen uns eh nur an die Geldtasche! Ausnahmen bestätigen ja zum Glück, dass alles oben Beschriebene kein Thema ist: Nicht umsonst haben sich viele Walser/innen mit Vorarlbergern/innen und auch Allgäuer/ innen verehelicht und die meisten Kleinwalsertaler/innen haben heute in irgendeiner Form eine verwandtschaftliche Verbindung mit unseren Nachbarn

Obwohl sehr enge wirtschaftliche Beziehungen und viele Freundschaften im Besonderen mit dem Allgäu bestehen, ist in den letzten Jahren eine allgemeine Tendenz zu spüren, das „übrige Vorarlberg und auch Österreich“ bewusster wahrzunehmen. Es wird in Vorarlberg Urlaub gemacht und speziell im Hotelbereich auch geworben. Das Tal wurde in die GENUSS REGION ÖSTERREICH aufgenommen. Im Gegenzug ist auffallend, dass das Interesse der Vorarlberger am Tal gestiegen ist. Interessant ist auch, dass die Kleinwalsertaler das Allgäu nicht als Deutschland wahrnehmen. Während die Allgäuer durchaus das Kleinwalsertal in ihre Region mit einbeziehen, grenzen sich die Kleinwalsertaler lieber ab. „Walser sein“ spielt für viele Kleinwalsertaler eine wichtige Rolle und ist ein wichtiges Identitätsmerkmal geworden, um sich von seinen Nachbarn abzugrenzen. Nicht verwunderlich, dass das inzwischen in mehreren Walser Gebieten gesehene Logo „Walser – mee gaid ned!“ von Jugendlichen aus dem Kleinwalsertal entworfen wurde.

Stefan Heim, Riezlern

Dieser Artikel ist in Heft 96 der „Walserheimat“ zu finden.

St. Jakobus-Kapelle am Simmel in Hochkrumbach

Die Kapelle am Simmel hat eine lange und interessante Geschichte. Schon seit zirka 1550 befand sich auf der Passhöhe eine Kapelle, die damals noch zur Pfarre Lech gehörte. 1687 wurde Hochkrumbach eine selbstständige Kuratie. Bereits 1681 82 wurde mit dem Bau der heute noch bestehenden Kapelle begonnen, die allerdings erst 1781 eingeweiht wurde. 1692 zählte die eigenständige Gemeinde Hochkrumbach am Tannbergpass zwölf ganzjährig bewohnte Häuser. Einige Zeit war in Hochkrumbach auch das gemeinsame Gericht für Lech, Warth, Schröcken und das Kleinwalsertal angesiedelt. 1885 wurde die Ortschaft an Warth angeschlossen.

 1910 wurde die Kapelle saniert, nachdem ein Schneesturm den Turm einfach herunterriss. Dabei dürften auch Dokumente, die in der Turmkugel verwahrt waren, beschädigt worden sein. Aus den Fragmenten war ersichtlich, dass der erste Seelsorger 1681 hier eingezogen ist und die Pfarrei ab 1854 verwaist war. 2010 wurde die Theodulbruderschaft gegründet mit dem Ziel, heimische Kulturgüter am Tannberg zu erhalten und zu pflegen (www.theodul-bruderschaft.at). Mit viel Engagement begannen die Mitglieder mit der Sanierung der Kapelle. Dabei fand man in der Turmkugel Berichte von 1910 und 1967, ein kleines Kreuz, eine Medaille und eine kleine Madonna. Im August 2013 wurde der Turm und ein Teil der Kapelle durch einen Blitzschlag beschädigt. Große Teile des Turms und das Kreuz mussten erneuert und die Turmkugel restauriert werden.

Ein Prunkstück ist der Renaissance-Hochaltar aus dem 17. Jahrhundert, der ebenfalls restauriert wurde. An der Rückseite fand man eine Bleistiftinschrift: „Renovirt in den Kriegsjahren von Florus Scheel 1914 – 15 und wieder aufgestellt am 13/11 1916 bei 60 cm Schnee.“ Ende September 2014 wurde der „neue“ Altar feierlich bei der Friedensmesse am Simmel eingeweiht und die Kapelle erstrahlt jetzt in neuem Glanz.

Jodok Müller, Riezlern

Dieser Artikel ist in Heft 96 der „Walserheimat“ zu finden.

Vom Pfarrhaus zum Triesenberger Rathaus

Das Triesenberger Rathaus ist ein geschichtsträchtiges Gebäude im Dorfmittelpunkt und prägt als markanter Bau in harmonischer Einheit mit der Pfarrkirche das Dorfbild. Das Haus wurde 1767/68 als Pfarrhaus erbaut und hat nach dem Neubau des Pfarrhauses im Jahr 1965 nordöstlich des Friedhofs verschiedene Umnutzungen erfahren. Bis 2011 war dort die Gemeindeverwaltung untergebracht. Mit dem Umzug der Verwaltung ins neu erstellte Gebäude erfuhr es weitere Zweckbestimmungen. Der Gemeinderat tagt weiterhin im altehrwürdigen und denkmalgeschützten Gebäude mit dem unverwechselbaren Ambiente. Das Rathaus wird somit auch zukünftig ein Rathaus bleiben und damit seinen Namen rechtfertigen.

Bedeutendes Haus mit reichhaltiger Geschichte

Die historische, aber auch die kunstgeschichtliche Bedeutung eines der ältesten Baudenkmäler der Gemeinde Triesenberg stösst über die Landesgrenzen Liechtensteins hinaus auf Interesse, zumal der Baumeister ein Vorarlberger war. Die Geschichte des Rathauses ist eng mit jener der Pfarrkirche verflochten. Gleichzeitig mit der Pfarrkirche wurde das Gebäude 1767/68 am Nordrand des Kirchplatzes als erstes Pfarrhaus errichtet. Bis die Pfarreigründung zustande kam und die Kirche und das Pfarrhaus am heutigen Standort gebaut werden konnten, war es ein beschwerlicher Weg und es musste viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Das Zustandekommen der eigenen Pfarrei ist in hohem Masse dem Einsatz des damaligen Ortsrichters Johannes Danner (1700-1779) zu verdanken. Er verstand es, die Notwendigkeit einer eigenen Pfarrei zu begründen und fand in Dekan und Pfarrer Nikolaus Peller von Schaan einen überzeugten Fürsprecher. Die Gründe sind in einem Schreiben an den bischöflichen Kanzler vom 16. Mai 1767 aufgeführt. So sei der Weg zu den Pfarrkirchen Triesen und Schaan im Winter oft lebensgefährlich. Die Gottesdienste können so nur selten oder gar nicht besucht werden. Auch die christliche Unterweisung der Jugend erleide Nachteile. Die Kranken müssten oft ohne die heiligen Sakramente sterben.

S.D. Fürst Joseph Wenzel als hochherziger Stifter

Dekan Peller bat den damaligen Landvogt Grillot um seine hilfreiche Hand zur Errichtung einer neuen Pfarrei am Triesenberg. Dieser sandte an S.D. Fürst Joseph Wenzel ein Empfehlungsschreiben, „das Höchstselber nit nur die Errichtung einer neuen Pfarr guetheissen, sondern auch durch eine hinlängliche Stiftung die Unterhaltung ihres zukünftigen Seelsorgers anzuschaffen gnädigst gewähren wollen“. Fürst Joseph Wenzel trat auf das Gesuch ein und zeigte sich als hochherziger Stifter der Pfarrpfründe, indem er nicht nur die Kosten für den Bau der Kirche und des Pfarrhauses übernahm, sondern auch noch eine Stiftung von 7.000 fl. (siebentausend Gulden Rheinisch) zur Entlohnung des Seelsorgers errichtete. Die Details sind im Stiftbrief vom 7. Dezember 1768 festgehalten.

„Von Gott und den Menschen geliebt“

Bemerkenswert ist, dass sich Ortsrichter Danner auch für den heutigen Standort von Kirche und Pfarrhaus einsetzte. Die einen wollten den Standort im Haberacher-Steinort, die anderen auf Jonaboda Üenaboda festlegen. Obwohl Danner, der in der Lavadina wohnte, den kürzeren Kirchweg gehabt hätte, setzte er sich selbstlos für den heutigen Dorfmittelpunkt ein. Eine weitsichtige Entscheidung! Pfarrer Stefan Wohlwend, erster Seelsorger am Triesenberg, bezeichnet den rührigen Ortsrichter (Vorsteher) als den grössten Förderer der neu erbauten Pfarrkirche und im Sterbebuch (Liber Mortuorum) steht noch eine besondere Auszeichnung: Richter Danner war ein Mann, der bei Gott und den Menschen geliebt war (Vir dilectus Deo et hominibus). Im Walsermuseum steht eine Stabelle, die sich durch Generationen als Danner-Stuhl vererbt hat und an den grossen Triesenberger erinnert.

Berühmter Planer

Als Planer der ersten Kirche und des Pfarrhauses fungierte der Bregenzerwälder Barockbaumeister Peter Bein aus Hittisau (1736-1818). In der Rentamtsrechnung vom 11. Februar 1769 ist eine Zahlung an Peter Bein bestätigt: „dem Maurermeister Peter Bein vor sammentliche Mauerer-, Stockhator-Arbeit lauth Contract 1730 fl (Gulden)“. In den Rentamtsrechnungen sind verschiedene Zimmermanns- und Schreinerarbeiten, die Anfertigung von Lärchenschindeln und die Arbeiten der Nagler, Schlosser, Schmiede und Glaser erwähnt. Gerber Joseph Amann lieferte insgesamt 176 Pfund Haar, das dem Mörtel zur Verbesserung der Stabilität beigemischt wurde.

Der berühmte Baumeister fügt sich in eine ganze Reihe von wandernden Baumeistern, Maurern und Stuckateuren von grossem Können ein, die der Bregenzerwald hervorgebracht hat. Weitere Werke von Peter Bein sind unter anderem die Schule und Synagoge in Hohenems, die St Nikolauskirche und das Rathaus in Frauenfeld und das Mesnerhaus in Oberkirch. 1792 zog Peter Bein nach Frauenfeld. Er spielte auch im öffentlichen Leben als Landrichter im Thurgau eine bemerkenswerte Rolle.

Der Bau, seine Funktion und seine kunsthistorische Bedeutung

Der Kunsthistoriker Erwin Pöschel beschreibt das alte Pfarrhaus als gut proportionierten kubischen Bau von zwei Geschossen mit Mansardendach, am Nordrand des Kirchplatzes gelegen. Von den Ausstattungsstücken erwähnt er den originellen Wandschrank mit geschraubten Halbsäulen und Valutenbekrönung und die Füllungen mit weissen Rokokomotiven auf dunkelblauem Grund bemalt, um 1700. Der kostbare Einbauschrank kann heute im Walsermuseum betrachtet werden. Architekt Hans Rheinberger, der den nachfolgend beschriebenen Umbau von 1968 realisiert hat, charakterisiert das alte Pfarrhaus als eines jener wenigen noch erhaltenen und erhaltungswürdigen alten Häuser, an welchen unser Land so arm ist.

Fünfzehn Pfarrherren wohnten von 1768 bis 1965 in diesem Haus. Der erste Bewohner war Pfarrer Stephan Wohlwend von Bendern (Pfarrer am Triesenberg von 1768 bis 1785), der letzte Pfarrer Engelbert Bucher (Pfarrer von 1943 bis 1979). Pfarrer Bucher durfte als erster Pfarrer am 15. Juni 1965 ins neu erbaute Pfarrhaus beim Hag einziehen.

Umbauten 1968, 1982 und 2011

Es ist heute unverständlich, dass es bereits ab dem Jahr 1959 Bestrebungen gab, das 1951 unter Denkmalschutz gestellte Gebäude abzubrechen. Zum Glück setzte sich die Denkmalschutzkommission für den Erhalt durch. Nach dem Umzug des Pfarrers ins neue Pfarrhaus beherbergte das Haus vom 14. Februar 1966 bis 27. November 1967 noch eine Filiale der Zahnfabrik Ivoclar. Die Idee zum Umbau in ein Verwaltungsgebäude, dem der Name Rathaus zugesprochen werden sollte, setzte sich durch. Das Architekturbüro Hans Rheinberger wurde mit dem Sanierungs- und Umbauauftrag betraut. Kanalisation, Dachdecker-, Spengler- und Gipserarbeiten, Installationen, Boden- und Wandbeläge, Malerarbeiten etc. mussten neu ausgeführt werden. Die Baukosten entsprachen mit 264.000,– Franken fast einem Neubau derselben Grösse. Dem Geschick des Architekten ist es zu verdanken, dass durch gekonnte Materialwahl sehr zweckmässige und ansprechende Räume geschaffen wurden. Im Obergeschoss wurde eine Wohnung eingerichtet. So war die Freude für die damals wenigen Gemeindeangestellten aber auch für die ganze Gemeinde gross, als am 17. November 1968 das Rathaus eingeweiht werden konnte. Dass der Vorsteher und der Kassier früher ihr Büro bei sich zu Hause hatten, ist heute kaum mehr vorstellbar.

1981/82 wurde unter Federführung des Architekturbüros Eberle + Frick AG, welches das Architekturbüro des verstorbenen Hans Rheinberger übernommen hatte, ein weiterer Umbau vorgenommen. Nach dem Umzug der Gemeindeverwaltung ins neue Gebäude wurde das Haus 2011 ein weiteres Mal renoviert.

Das Theodul-Mosaik

Das künstlerische Schmuckstück am Rathaus ist der glockentragende Teufel, das Motiv aus der Theodul-Legende. Es ist eine Mosaikarbeit von Prof. Josef Seger aus Mödling b. Wien, der mehrere Mosaikarbeiten in Liechtenstein, darunter auch das Sennen-Ave in der Malbunkapelle, realisiert hat. Ein interessanter Fund ist der erste Entwurf des Künstlers, der nicht nur den Teufel mit er Glocke, sondern auch den Heiligen mit Stab und in segnender Haltung darstellt. In einem undatierten Schreiben (ca. Anfang 1969) an Architekt Rheinberger befürchtet der Künstler, die Teufelsfigur allein lasse zu viele Anspielungen zu. Es sei in der Legende tröstlich zu sehen, wie das Böse gezwungen werde, dem Guten zu dienen. Aber weil es in Wirklichkeit nicht immer so sei, sollte man es mit dem Heiligen darstellen, es könnte ja so sein. Warum schliesslich die reduzierte Darstellung gewählt wurde, ist nicht bekannt. Ausgeführt wurde das Mosaik von der Firma Hermann Bauch in Wien.

Der neue Verwendungszweck: Rathaus soll Rathaus bleiben

Mehr als vier Jahrzehnte sind mittlerweile seit dem Umbau vom Pfarrhaus zum Rathaus vergangen. Den heutigen räumlichen Anforderungen an eine moderne und zweckmässige Gemeindeverwaltung war das Haus seit langem nicht mehr gewachsen. Das altehrwürdige Gebäude, einstiges Pfarrhaus, Rathaus und Verwaltungsgebäude bis 2011 soll auch weiterhin das Rathaus bleiben: ein Ort der Kommunikation und der Begegnung, wo Gemeinderätinnen und Gemeinderäte tagen und Kommissionen, Genossenschaften und Vereine ihre Sitzungen abhalten, der Abwart sein neues Büro bezogen hat und wo im ersten Stock eine neue Bibliothek und das Zentrum der Ahnenforschung und Familienchronik entstanden ist. Als mit Leben erfüllte Kultureinrichtung der Gemeinde wird das Haus in Zukunft eine wichtige Aufgabe erfüllen.

Josef Eberle, Triesenberg

Dieser Artikel ist in Heft 95 der „Walserheimat“ zu finden.

Ifen Hotel Hirschegg im Kleinwalsertal

1936 erbaute der Architekt und Hotelier Hans Kirchhoff aus Hannover in Hirschegg im Kleinwalsertal das Ifen Hotel als erste Adresse im touristisch aufstrebenden Tal an der Breitach. Architektonisch war vor allem der auffallende Rundbau auf einem Felsvorsprung ein besonderes Merkmal und Erkennungszeichen des Ifen Hotels.

Das Geschäft mit den Gästen lief gut an, doch die Auswirkungen des 2. Weltkriegs machten auch an der Walserschanz nicht halt. 1943 wurde das Ifen Hotel beschlagnahmt und von der deutschen Gestapo in ein „Ehrengefängnis“ umgewandelt. Die „Gästeliste“ im Gemeindearchiv enthält einige prominente Namen: Francesco Nitti, ehemaliger Ministerpräsident von Italien; André François-Poncet, französischer Botschafter; Albert Saurrat, Premierminister Frankreichs 1933 und 1936; Anne Herzogin von Aosta mit ihren Töchtern, den Prinzessinnen von Savoyen-Aosta, Marguerita und Marie-Christine, und einige mehr. Interessant war, dass zu dieser Zeit das Hotel auch für normale Hotelgäste geöffnet war. Sogar höhere Beamte und Funktionäre des nationalsozialistischen Regimes stiegen hier ab.

Das Ifen Hotel war zu dieser Zeit eine Mischung zwischen „Luxusgefängnis“ und normalem Hotel. Den Gefangenen ließ man eine Behandlung erster Klasse zukommen, es war ihnen aber verboten, mit der Walser Bevölkerung Kontakt aufzunehmen. Dieses Verbot ließ sich aber leicht umgehen. Sie konnten spazieren gehen und man sah sie öfters mittags durch Hirschegg laufen. Mit dem Sieg der Alliierten zogen die Franzosen ins Kleinwalsertal und General Charles de Gaulle machte den Truppen im Ifen Hotel seine Aufwartung. Die Sängerin und Tänzerin Josephine Baker sang für die im Hotel untergebrachten Soldaten.

Nach den Kriegsturbulenzen nahm der Tourismus im Kleinwalsertal wieder Fahrt auf. Im Gästebuch des Hotels finden sich illustre Persönlichkeiten wie der Philosoph Theodor W. Adorno, die Opernsängerin Anneliese Rothenberger, der zweifache Leichtathletik Olympiasieger Armin Hary, Österreichs Bundespräsident Rudolf Kirchschläger, Finanzminister und Vizekanzler Hannes Androsch, Bundeskanzler Bruno Kreisky, der Bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß, Schlagersängerin Hannelore von Auersperg oder die Mitglieder der Popgruppe Boney M. 1951 besuchte André François-Poncet sein altes „Ehrengefängnis“. Er war nach dem Krieg als Hoher Kommissar von Frankreich in Westdeutschland tätig und schrieb ein Buch über seine Erlebnisse als Internierter im Kleinwalsertal mit dem Titel „Carnets d’un captif“.

In vielen Kinofilmen spielt das Ifen Hotel eine Rolle. So haben beispielsweise die Produzenten der historischen Spielfilme „Der Engel mit dem Saitenspiel“ (Liebesfilm, 1944, Regie: Heinz Rühmann), „Die Söhne des Herrn Gaspary“ (1948) oder „Wochenend im Walsertal“ Kurzspielfilm 1952) das Traditionshaus im Walsertal als Drehort gewählt.

Einen Namen machte sich auch die Küche des Ifen Hotels. 1978 erkochte der damalige Küchenchef Ortwin Adam den ersten Michelin-Stern für Österreich. Sein Schüler in der Berufsschule Sascha Kemmerer ist der neue Küchenchef im Ifen Hotel und wurde 2010 für seine Kochkünste im Gourmetrestaurant „Kilian Stuba“ mit zwei Gault&Millau Hauben ausgezeichnet.

Das neue Ifen Hotel

Im Lauf der Jahre geriet das Ifen Hotel in wirtschaftliche Turbulenzen. 2005 verkaufte die damalige Besitzerfamilie das Hotel. Die Walser Raiffeisen Holding und die Hotelgruppe Travel Charme Hotels & Resorts machten sich an die Arbeit und investierten rund 33 Millionen Euro in das Prestigeobjekt. Der markante Rundbau sollte bei der Neugestaltung erhalten bleiben. Der gebürtige Bregenzerwälder Architekt Professor Hermann Kaufmann legte besonderes Augenmerk auf die Integration des ältesten Teiles des bestehenden Ifen Hotels in das neue Gesamtkonzept. Mit seinem Ansatz für das neue Ifen Hotel versuchte er einerseits die Wichtigkeit des landschaftsbezogenen Bauens, andererseits die Auseinandersetzung mit der Kernfrage der zeitgemäßen Form für die Bauaufgaben des Tourismus zu unterstreichen. Ziel war es, den funktionsgerechten und schnörkellosen Stil der 1930er-Jahre in reduzierten Formen und klaren Linien konsequent fortzuführen. Die Verwendung von Holz sollte eine warme, klare und entspannende Atmosphäre gewährleisten. Für den Innenausbau war der italienische Designer Lorenzo Bellini verantwortlich.

Im Juli 2010 wurde das Ifen Hotel als einziges Fünf-Sterne-Hotel im Kleinwalsertal wieder eröffnet. Angeboten werden 125 Zimmer, acht Großraum- und 21 Junior-Suiten, ein Wellnessbereich mit zirka 2.500 m2, Schwimmbad und Fitnesscenter, Bankett- und Konferenzräume und 131 Tiefgaragenplätze.

Jodok Müller, Riezlern

Dieser Artikel ist in Heft 95 der „Walserheimat“ zu finden.

60 Jahre Lawinenkatastrophe im Großen Walsertal

Eine Naturkatastrophe verändert das Leben im alpinen Raum

Der 11. Jänner 1954 wird ein (ge-)denkwürdiges Datum in der langen Geschichte des Großen Walsertales bleiben. Neben dem unmittelbaren Leid, welches die Bevölkerung durch die Lawinenkatastrophe in den einzelnen Walserdörfern ertragen musste, beschäftigen die Bewohner des Großen Walsertales aber auch die langfristigen Folgen, welche selbst noch in der Gegenwart in der gesamten Region direkt oder indirekt spürbar sind.

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Walser Alpwirtschaft

1. Einwanderung und Besiedelung der Hochlagen

Maisäß am Gassnerberg St. Gerold (Großwalsertal)Als die Walser im 14. Jahrhundert in Vorarlberg einwanderten, besiedelten sie hochgelegene Regionen Vorarlbergs. Diese waren aber keineswegs unberührte Wildnis, sondern Gebiete, in denen die Rinderhaltung und Alpwirtschaft bereits vorhanden waren. Die Walser haben durch ihre Besiedelung die oberste Waldregion durch großen Holzverbrauch sehr strapaziert. Wiesen und Weiden wurden auf Kosten des Waldes durch Rodung stark ausgedehnt. Eine Weidewirtschaft mit unterschiedlich hoch gelegenen Staffeln beziehungsweise Lagern war aber zum Überleben notwendig und erforderte die Errichtung und Erhaltung mehrerer Wohngebäude, Ställe und Heuhütten, was neben der Milchverarbeitung (großer Holzverbrauch in der Sennereiwirtschaft) auch einen großen Holzbedarf zur Folge hatte.

Die Holzknappheit führte dann in späteren Jahrhunderten auch zu Abwanderungen aus verschiedenen hochgelegenen Weilern. Durch die Besiedelung der Hochlagen hatten die Walser aber gute Möglichkeiten, Verbindungen von Tal zu Tal herzustellen. So erfolgte die Verbreitung der Walsersiedlungen oft von oben nach unten. So zum Beispiel vom Damülser Gebiet hinunter ins Laternsertal und Großwalsertal, vom Tannberggebiet hinunter ins Kleinwalsertal. Es ergaben sich somit pfarrliche und gerichtliche Zusammengehörigkeiten über Tälergrenzen hinweg. Dieses „Wandern“ in unterschiedlicher Hinsicht ist typisch für alle Walsergebiete und eines der Hauptkriterien für eine geglückte Besiedelung und Nutzung der Bergregionen.

Daneben spielten für die Walser aber auch der Handel (vor allem Verkauf von Schmalz, um Geld für Salz und Brotgetreide zu erwerben), die Säumerei und Söldnerei eine wichtige Rolle. Zeugnis dafür ist der an viele alte Häuser angebaute Rossstall. Die Walser kultivierten somit Land, pflegten und kontrollierten aber auch die Wege über die Pässe. Um in diesen Hochlagen auch im Winter zu überleben, brauchte es viel Erfahrung und eine ausgeklügelte Bewirtschaftungsweise.

In Vorarlberg sind Walser in folgende Gebiete eingewandert:

 

2. Dreistufenwirtschaft der Walser

Man spricht immer von der Bregenzerwälder Dreistufenwirtschaft als besondere Art der Weidewirtschaft. Auch die Walser haben diese Wanderung vom Heimgut über das Maisäß (im Bregenzerwald „Vorsäß“ genannt) zur Alpe. Da die Heimgüter der Walser Bauern als Weidefläche für eine entsprechende Viehzahl, wie sie zum wirtschaftlichen Überleben notwendig ist, viel zu klein sind, ist ein Weidewechsel hinauf zu Maisäßen und in die Alpregion notwendig. Als Klein- und Bergbauern hatten die Walser früher durchschnittlich nur Platz für fünf bis sechs Kühe zur Überwinterung im eigenen Stall. Auf den Alpen hingegen war Platz für mehr Kühe. Daher hat man im Sommer Fremdvieh aufgenommen und im Herbst wieder abgegeben.

2.1. Heimgut

Eine ausgeklügelte Heuwirtschaft spielt für jeden Bauern eine wichtige Rolle, um das Vieh durch den Winter zu bringen. Der hauseigene Stall genügte früher als Heuvorratsplatz nicht und so nutzten die Bauern meist noch mehrere kleine Futterställe. Dies hatte auch den Vorteil, dass das Heu nicht über allzu große Strecken transportiert werden musste. Dies war sehr beschwerlich, denn das Heu wurde zu Ballen („Schochen“) gebunden und auf den Schultern getragen. Um nur kurze Wegstrecken zu haben, befinden sich die Futterställe in der Mitte oder zumindest auf den betreffenden Grundstücken der Bauern. Im Winter wanderte nun der Bauer mit seinem Vieh von Stall zu Stall um dort das Heu zu verfüttern. Heute ist dies nicht mehr notwendig und so verfallen diese Ställe zusehends. Zur Gewinnung des Bergheus baute man kleine Hütten, die Schutz vor der Witterung boten. Die Heuer blieben früher oft ein paar Wochen lang in diesen höchsten Bergregionen und hausten dort sehr einfach, zusammen mit ein paar Ziegen, damit sie wenigstens frische Milch hatten. Das Heu wurde in kleinen Scheunen gesammelt und blieb dort bis zum Wintereinbruch, nach welchem es dann auf „Schlittenbahnen“ ins Tal geschleift wurde. Diese steilen und abgelegenen Bergmähder werden heute auf Grund des großen Arbeitsaufwandes kaum mehr gemäht.

2.2. Maisäß

Die Walser haben keine Gemeinschaftsmaisäße. Diese befinden sich durchwegs in Privateigentum. Dabei gibt es mehrere Formen eines Maisäßbetriebes:

  • Maisäße mit eigenem Wohngebäude (oder einem Wohntrakt) und Stall. In diese ist früher der Bauer mit der ganzen Familie im Frühjahr und Herbst hingezogen. Heute werden die Maisäße kaum mehr von der Bauernfamilie bewohnt. Durch die gute Erschließung werden sie vom Heimbetrieb aus bewirtschaftet. Die Wohngebäude sind meist vermietet.
  • Maisäße, die nur aus Ställen bestehen. In diesen wurde früher das Vieh untergebracht und auch gemolken. Heute kommt meist nur noch das Jungvieh ins Maisäß, im Sommer erfolgt dann eine Mahd, im Herbst nochmals die Weidenutzung durch Jungvieh. Das bedeutet, dass die Ställe meist überflüssig wurden.
  • Maisäße, die nur aus einem Heustadel oder ganz ohne Gebäude bestehen. Bei diesen Maisäßen erfolgt somit nur eine Heunutzung, Vieh kommt keines hin.
  • In den höher gelegenen Regionen am Tannberg und in Lech gibt es auf Grund des zu geringen Höhenunterschiedes zwischen Heimgut und Alpe gar keine Maisäßstufe mehr. Hier beginnt das Alpgebiet direkt anschließend an die Heimgüter.

2.3. Alpe

Bei den Walsern liegen die Alpen meist in den Händen von Gemeinschaften bzw. Genossenschaften, wenige sind in Privatbesitz. Der individualistische Charakter der Walser Gemeinschaftsalpen zeigt sich in der Nutzungsweise: Auf dem gemeinsamen Grund und Boden durfte jeder Alpberechtigte seine eigene Hütte mit Stall errichten. Durch diese Besitzstruktur sind richtige Alpsiedlungen entstanden. Das Vieh wurde in den eigenen Ställen untergebracht und von den einzelnen Bauern selbst betreut und versorgt. Auch hat jeder Bauer seine Milch in seiner Hütte separat versennt. Grund für diese aufwändige Arbeitsweise ist vielleicht die erkannte Notwendigkeit, dass jeder Liter Milch wichtig zum Überleben war. Auffallend ist, dass sich alle großen Alpsiedlungen im Großwalsertal befinden. Die größte ist die Sterisalpe mit zwölf Hütten, gefolgt von der Laguzalpe mit zehn Hütten und der Gassneralpe mit acht Hütten.

  Futterfläche in Hektar
(2011)
Rinder
(2011)
Milchkühe
(2011)
Anzahl der Gebäude
Alpila (Thüringerberg) 81 16 50 7
Seralpe (Blons) 133 33 87 7
Hinterkammalpe (Blons) 60 25 27 4
Sentumalpe (Blons) 91 27 65 6
Gassneralpe (St. Gerold) 111 39 68 8
Plansottalpe (St. Gerold) 110 109 25 5
Laguzalpe (Raggal) 271 88 98 10
Gaden-Madonaalpe (Sonntag) 113 65 4
Klesenzaalpe (Sonntag) 182 40 67 6
Hinterischkarneialpe (Sonntag) 114 23 49 5
Ischkarneialpe (Sonntag) 42 48 2
Unterpartnumalpe (Sonntag) 76 70 6
Oberpartnumalpe (Sonntag) 140 59 63 6
Sterisalpe (Sonntag) 161 65 104 12
Oberüberlutalpe (Sonntag) 97 39 53 4
Tiefenwaldalpe (Fontanella) 85 12 69 4
Zafernalpe (Fontanella) 85 3 56 5
Außertürtschalpe (Fontanella) 86 73 2 5
Staffelalpe (Fontanella) 87 1 57 5
Walser Alpsiedlungen im Großwalsertal (Quelle: Agrarbezirksbehörde Bregenz)

Außerhalb vom Großwalsertal gibt es in den Walser Siedlungsgebieten zwar auch Alpsiedlungen, sie sind aber kleiner und nur spärlich vertreten. Beispiele hiefür sind:

Kleinwalsertal: Zwerenalpe (fünf Gebäude)
Walmendingeralpe (vier Gebäude)
Innerwesteggalpe (drei Gebäude)
Damüls: Ugaalpe (sechs Gebäude)
Brandalpe (fünf Gebäude)
Oberdamülseralpe (acht Ställe)
Lech: Zuger Alpe (sechs Ställe)
Gstüttalpe (fünf Ställe)
Stubenbachalpe (fünf Ställe)
Silbertal: Alpe Rona-Alpgues (sechs Gebäude)
Alpe Wasserstube (fünf Gebäude)
Brandnertal: Zalimalpe (früher mindestens drei Gebäude)
Laternsertal: keine

Für das weitgehende Fehlen von großen Alpsiedlungen im Walsersiedlungsgebiet außerhalb des Großwalsertales gibt es keine eindeutigen Erklärungen. Mögliche Gründe sind meines Erachtens erstens die topographische Lage der Alpen, die keine größere Siedlung zuließ. Zweitens, dass die Alpen schon vor dem Eintreffen der Walser vorhanden waren und anderen Besitzern gehören. So sind zum Beispiel einige Alpen im Brandnertal im Besitz der Agrargemeinschaften von Frastanz beziehungsweise Nenzing, im Laternsertal gehören viele Alpen Landwirten im Rheintal (zum Beispiel auch der Agrargemeinschaft Rankweil), und im Silbertal Landwirten aus dem Montafon. Die Walser im Laternsertal mussten daher in andere Gebiete ausweichen, so zum Beispiel ins Mellental, wo sie auf der Lindachalpe und Hauseralpe kleine Alpsiedlungen errichteten.

Was die Alpsiedlungen betrifft, so gibt es Parallelen zwischen den Walser Alpen und den großen Gemeinschaftsvorsäßen im Bregenzerwald (zum Beispiel Schönenbachvorsäß in Bezau, Klausbergvorsäß in Schwarzenberg, Hangvorsäß in Mellau, Eggatsbergvorsäß in Egg). Auch bei diesen Vorsäßsiedlungen sind Grund und Boden sowie der Weidegang gemeinsam und das Vieh wird in privaten Gebäuden versorgt, die jeder Berechtigte errichten durfte. Allerdings erfolgte hier die Verarbeitung der Milch immer schon gemeinsam in der Gemeinschaftssennerei. Weiters haben die Bregenzerwälder Vorsäße meist eine Kapelle, die Walser Alpen hatten dies ursprünglich nicht In neuerer Zeit (20. Jahrhundert) wurden aber einige Kapellen gebaut.

Am Tannberg (Schröcken und Warth) sind fast durchwegs Privatalpen zu finden. Diese Alpen waren nämlich bis in die 1880er Jahre Dauersiedlungen, die hauptsächlich aus Holzmangel (bedingt durch die radikalen Rodungen) aufgegeben wurden. So waren 1923 insgesamt 33 Höfe auf dem Tannberg (einschließlich Lech) in Alpen „umgewandelt“. Diese Anwesen wurden aber selten vom bisherigen Besitzer als Alpe bewirtschaftet, sondern meist von auswärtigen Bauern gekauft. Daher gibt es hier viele Privatalpen, die nicht von den einheimischen Walsern bewirtschaftet werden. Die Alpweiden der ehemaligen Bauernhöfe wurden danach nicht mehr genutzt, da ja die Bergbauernhöfe nun zum Alpgebiet wurden. Bei meinen Begehungen habe ich festgestellt, dass es nach 700 Jahren nun doch einen erkennbaren Wandel in der Walser Alpwirtschaft gibt, den ich anhand von sieben Punkten darstellen will:

3. Wandel in der Alpwirtschaft

3.1. Übergang zur Gemeinschaftssennerei

In früheren Jahrhunderten wurde noch in jeder Hütte separat die Milch versennt. So zum Beispiel auf der Gassneralpe im Großwalsertal bis ca. 1850. Heute geschieht aber aus sennereitechnischen und betriebswirtschaftlichen Gründen das Versennen der Milch gemeinsam und es wurden auf den Alpen Sennereigebäude errichtet. Dieser Wandel ist bereits durchwegs vollzogen.

3.2. Übergang zum Gemeinschaftsstall

Erste Ansätze hierzu sind bereits bei einigen Alpen (zum Beispiel Gassneralpe, Plansottalpe) erkennbar. Aber auch dort betreut jeder Bauer sein Vieh noch selbst oder stellt den Alphirten zum Melken an und bezahlt ihn dafür.

3.3. Verfall vieler Ställe in den oberen Lagern

Die oberen Lagern der größeren Alpen hatten ursprünglich auch Ställe, in denen gemolken wurde. Die Milch wurde dann meist zu Fuß zur Hauptalpe gebracht. So gab es zum Beispiel bei der Gassneralpe beim oberen Lager Tälialpe bis 1960 Melkbetrieb. Es gab aber auch Seilbahnen und Milchleitungen (zum Beispiel von der Plansottalpe hinauf zur heute verfallenen Schäfisalpe mit fünf Ställen). Heute wird in den oberen Lagern entweder gar nicht mehr gemolken (nur noch Auftrieb von Jungvieh), oder es gibt auch einen Gemeinschaftsstall. Die alten, kleinen Ställe verfallen zusehends. So gab es bei der Laguzalpe 13 Ställe auf der Oberalpe, heute existieren nur mehr ein Melkstand und eine Hirtenhütte.

3.4. Nicht mehr alle Besitzer von Alphütten sind Landwirte

Durch den Rückgang der Landwirte stehen zum Teil Alphütten leer (zum Beispiel auf der Sterisalpe vier der zwölf Hütten, auf der Laguzalpe zwei der zehn Hütten, auf der Seraalpe zwei der sieben Hütten) oder werden vermietet (zum Beispiel werden bei der Gassneralpe von acht Hütten nur noch drei von den Bewirtschaftern genutzt). Auch bei der Brüggelealpe im Brandnertal sind von den ca 30 Besitzern nur mehr zwei Ausübende.

3.5. Wandel von der Sennalpe zur Melkalpe zur Galtalpe

Diese Entwicklung ist ebenfalls feststellbar und bedeutet, dass die Alpen extensiver bewirtschaftet werden, das heißt die Pflege nimmt ab, da bei den Galtalpen auch viel weniger Alppersonal erforderlich ist. So wurde im Großwalsertal zum Beispiel auf der Plansottalpe 1965 das letzte Mal gesennt und auf der Türtschalpe und Unterdamülser Alpe weidet nur noch Jungvieh, das nicht mehr gemolken werden muss und auch keine Ställe mehr benötigt. Im Brandnertal wurde die Brüggelealpe zur Melkalpe (bis 1981 wurde noch gesennt) und die Zalimalpe zur Galtalpe (mit Mutterkuhhaltung), auf welcher nur mehr ein Hirt erforderlich ist. Im Kleinwalsertal war zum Beispiel die Walmendinger Alpe früher eine große Sennalpe, dann erfolgte der Milchtransport ins Tal und heute ist sie eine Galtalpe, die mit vorwiegend deutschem Vieh bestoßen wird. Sie besteht aus drei Staffeln: dem Maisäß beim Schwarzwasserbach sowie der Unteren und Oberen Walmendinger Alpe.

3.6. Extensivere Nutzung der Maisäße

Früher zog man noch mit der ganzen Familie ins Maisäß. Heute ist dies durch die gute Erschließung und Anbindung an den Heimbetrieb nicht mehr notwendig. So wird zum Beispiel das Garfüllamaisäß nicht mehr bewohnt, aber noch gemäht (Heunutzung) und vom Jungvieh beweidet.

3.7. Herkunft des Viehs auch aus entfernten Gebieten

Da es sich bei vielen Walser Alpen um sehr ertragreiche Alpen mit hochwertigem Futter handelt, sind Weideplätze begehrt. Durch frei werdende Weiderechte (Abnahme der Landwirte) wird Vieh aus allen Landesteilen aufgetrieben. So stammt das Vieh auf Großwalsertaler und Brandnertaler Alpen nicht nur aus dem Walgau und Rheintal, sondern bis aus dem Montafon, Bregenzerwald, Fürstentum Liechtenstein und der Schweiz, im Kleinwalsertal vielfach aus Bayern, am Arlberg aus Tirol (bis vom Zillertal). Dies ergibt ein buntes Bild einer Viehherde mit einer Vielzahl an Rassen.

Abschließend kann festgestellt werden, dass es kein einheitliches Bild oder Muster einer „Walser Alpwirtschaft“ gibt. Die nach Vorarlberg eingewanderten Walliser haben sich den Gegebenheiten in den verschiedenen Talschaften des Landes angepasst. Sie haben Alpen übernommen (so hat es zum Beispiel die Gapfohlalpe im Jahr 1313 schon gegeben) oder neue gegründet und sich den topographischen und klimatischen Verhältnissen angepasst.

Text und Fotos: Dr. Rudolf Berchtel, Dornbirn

Literatur

Joseph FINK/Hippolyt von KLENZE, Der Mittelberg. Geschichte, Landes- und Volkskunde des ehemaligen Gerichtes. Mittelberg 1891.

Karl ILG, Die Walser in Vorarlberg. Dornbirn 1949.

Hans PETER, Untersuchungen über die Ursachen des Rückganges der Alpwirtschaft und der Verödung der Dauersiedlungen am Vorarlberger Tannberg (Arbeiten der Lehrkanzel für Tierzucht an der Hochschule für Bodenkultur in Wien). Wien 1925.

Olaf SAILER, Auf den Spuren der Walser am Tannberg. Dornbirn 2010.

Helmut TIEFENTHALER, Vorarlberger Walserwege. In: Montfort. Zeitschrift für Geschichte Vorarlbergs, 63 (2011) 1, S. 7–21.

Vornehmste Merkwürdigkeiten des Walser-Thaals. Die Baader Chronik. 2 Bde. Immenstadt

Dieser Artikel ist in Heft 93 der „Walserheimat“ zu finden.

„Wer oder was ist ein Walser?“

Was bedeutet es im 21. Jahrhundert, ein Walser oder eine Walserin zu sein? Diese Frage stellt die aktuelle Sonderausstellung im Museum Huber-Hus in Lech.

Die deutsche Kulturanthropologin Ina-Maria Greverus beschreibt Identität als Wechselwirkung zwischen dem Selbst und den Anderen. Dabei hat sie die Identitätsformel „sich erkennen, erkannt werden und anerkannt werden“ aufgestellt (vgl. Greverus, 1996: S. 100). Versucht man diese Formel auf das Walsertum anzuwenden und durch eine kulturanthropologische Brille zu betrachten, rücken historische „Fakten“, die derzeit immer wieder diskutiert werden, eher in den Hintergrund und die symbolischen Bedeutungen von Zeichen und Praktiken treten in den Vordergrund. Unter Zeichen versteht man zum Beispiel unterschiedliche Kleidungsstile und unter Praktiken unterschiedliche Bräuche. Diese Zeichen und Praktiken bilden einen Verständigungscode und können aufgeschlüsselt werden in Symbole mit einer speziellen Bedeutung und Rituale, die eine Verständigung auf der Handlungsebene darstellen (vgl. Kaschuba, 2003: S 184). Symbole und Rituale sind die Grundlage für ein „sich erkennen“, da sie normalerweise nur von einer spezifischen Gemeinschaft entschlüsselt werden können.

In der Ausstellung werden daher verschiedene Darstellungsformen gezeigt und nach ihrer Symbolkraft befragt. In der künstlerischen Darstellung des Walserzugs zum Beispiel kommt die Wechselwirkung zwischen sichtbarer und gedanklicher Bildlichkeit zum Vorschein. Die einzelnen Bildmotive, die in den Gemälden und Bildern zu finden sind, werden in eine gedankliche Bildlichkeit übertragen und wiederum in Form von Objekten materialisiert. Was kann das bedeuten? Auf vielen Abbildungen des Walserzugs sind Menschen mit ihrem kompletten Hab und Gut abgebildet. Beim 16. Internationalen Walsertreffen in Alagna wurde ein Rucksack überreicht, um die mühevolle Zuwanderung zu unterstreichen. Dieses Wechselspiel zwischen Imagination und Reproduktion zieht sich durch viele Objekte, die in der Ausstellung gezeigt werden und sind wiederum Grundstein für ein „Anerkannt- werden“ im Sinne von Greverus. Mit der Institutionalisierung des Walsertums durch die Walservereinigungen wurde das „Anerkannt-werden“ besiegelt und das Symbol- und Ritualrepertoire weiter ausgebaut. So können die alle drei Jahre stattfindenden internationalen Walsertreffen oder die seit 1989 alle zwei Jahre stattfindenden Walser Skimeisterschaften per se als Ritual beschrieben werden, die ein kollektives Gemeinschaftsgefühl herstellen.

Was bedeutet es im 21. Jahrhundert, ein Walser oder eine Walserin zu sein? Diese Frage stellt die aktuelle Sonderausstellung im Museum Huber-Hus in Lech.

Die deutsche Kulturanthropologin Ina-Maria Greverus beschreibt Identität als Wechselwirkung zwischen dem Selbst und den Anderen. Dabei hat sie die Identitätsformel „sich erkennen, erkannt werden und anerkannt werden“ aufgestellt (vgl. Greverus, 1996: S. 100). Versucht man diese Formel auf das Walsertum anzuwenden und durch eine kulturanthropologische Brille zu betrachten, rücken historische „Fakten“, die derzeit immer wieder diskutiert werden, eher in den Hintergrund und die symbolischen Bedeutungen von Zeichen und Praktiken treten in den Vordergrund. Unter Zeichen versteht man zum Beispiel unterschiedliche Kleidungsstile und unter Praktiken unterschiedliche Bräuche. Diese Zeichen und Praktiken bilden einen Verständigungscode und können aufgeschlüsselt werden in Symbole mit einer speziellen Bedeutung und Rituale, die eine Verständigung auf der Handlungsebene darstellen (vgl. Kaschuba, 2003: S 184). Symbole und Rituale sind die Grundlage für ein „sich erkennen“, da sie normalerweise nur von einer spezifischen Gemeinschaft entschlüsselt werden können.

In der Ausstellung werden daher verschiedene Darstellungsformen gezeigt und nach ihrer Symbolkraft befragt. In der künstlerischen Darstellung des Walserzugs zum Beispiel kommt die Wechselwirkung zwischen sichtbarer und gedanklicher Bildlichkeit zum Vorschein. Die einzelnen Bildmotive, die in den Gemälden und Bildern zu finden sind, werden in eine gedankliche Bildlichkeit übertragen und wiederum in Form von Objekten materialisiert. Was kann das bedeuten? Auf vielen Abbildungen des Walserzugs sind Menschen mit ihrem kompletten Hab und Gut abgebildet. Beim 16. Internationalen Walsertreffen in Alagna wurde ein Rucksack überreicht, um die mühevolle Zuwanderung zu unterstreichen. Dieses Wechselspiel zwischen Imagination und Reproduktion zieht sich durch viele Objekte, die in der Ausstellung gezeigt werden und sind wiederum Grundstein für ein „Anerkannt- werden“ im Sinne von Greverus. Mit der Institutionalisierung des Walsertums durch die Walservereinigungen wurde das „Anerkannt-werden“ besiegelt und das Symbol- und Ritualrepertoire weiter ausgebaut. So können die alle drei Jahre stattfindenden internationalen Walsertreffen oder die seit 1989 alle zwei Jahre stattfindenden Walser Skimeisterschaften per se als Ritual beschrieben werden, die ein kollektives Gemeinschaftsgefühl herstellen.

Eine Besonderheit der Ausstellung ist, dass die Besucherinnen und Besucher aufgefordert sind, selbst aktiv zu werden. In zwei Ausstellungsräumen können sie ihre „Walseransichten“ und „Walsergedanken“ schriftlich hinterlassen. Während der Wintersaison wurden bereits interessante Botschaften gesammelt. Exemplarisch soll eine Notiz erwähnt werden: „Distanz-Walserin? Zugeborene- Walserin? Auf jeden Fall, trotz nur – Kindheit in Lech, Herz-Walserin. […]“ Welche Botschaft würdet ihr hinterlassen?

In einem weiteren Ausstellungsraum besteht die Möglichkeit „Walserisch“ zu hören und zu sprechen. Auf einer Aufzeichnung aus dem Jahre 1958 vom österreichischen Phonogrammarchiv hört man ein Gespräch zwischen der Lecherin Filomena Walch und dem in Lech geborenen Egon Zimmermann. Sie unterhalten sich über unterschiedliche Themen: die ersten Skifahrer, Trachten oder den Aufstieg der Hotellerie. Diese Aufnahme soll die schnelle Veränderung der Sprache in Lech verdeutlichen und „hörbar machen“. Ein Mikrofon, das für die Besucher bereit steht, versucht den Ist-Zustand zu dokumentieren. Hier werden die Besucherinnen und Besucher aufgefordert, etwas in „ihrem Walserdialekt“ aufzunehmen. Während der Wintersaison hat sich bereits die große symbolische Macht der Sprache bewahrheitet. Im Unterschied zu den schriftlichen Botschaften hält sich die mündliche Teilnahme in Grenzen. Auf die Aufforderung, etwas auf das Tonband zu sprechen, reagieren viele mit der Antwort: „Ich kann doch kein richtiges Walserisch“. In dieser Aussage ist ein kulturwissenschaftlich strittiger Begriff enthalten, nämlich „richtig“. Begriffe wie „richtig“ und „authentisch“ beziehen sich auf eine Hierarchie und verweisen auf einen weiteren strittigen Begriff des „Echten“. Was ist „echt“, was ist „falsch“ und wer bestimmt, was „echt“ und „falsch“ ist? Hier zeigt sich ein Verständnis von Kultur als starres, unbewegliches Gebilde und nicht als dynamischer Prozess, der sich in einem ständigen Wandel befindet. Denn was war vor 700 Jahren walserisch? Diese Bruchlinien zwischen gelebtem und imaginiertem Walsertum versucht die aktuelle Sonderausstellung herauszuarbeiten und darzustellen.

Die Ausstellung kann bis 26. September 2013 im Museum Huber-Hus in Lech besucht werden und ist dienstags, donnerstags und sonntags von 15.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.

Mag. Thomas Felfer, Lech

Literatur

Greverus, Ina-Maria: Identitäten zwischen Erinnerung und Integration, In: Narodna umjetnost 33/2, 1996, Croatian Journal of Ethnology, Zagreb, 1996

Kaschuba, Wolfgang: Einführung in die Europäische Ethnologie, 2. aktualisierte Auflage, München, 2003

Dieser Artikel ist in Heft 93 der „Walserheimat“ zu finden.

Anthologie „Wir Walser“

Zum Goldenen Jubiläum gibt es für die Geehrten meistens Geschenke. Die Internationale Vereinigung für Walsertum (IVfW), die im August 2012 ihr 50-Jahr-Jubiläum feierte, wollte ihren Mitgliedern und allen am Walsertum Interessierten ein bleibendes Geschenk machen. Schon seit Jahren schwebte der Gedanke im Raum, eine Anthologie mit Geschichten, Gedichten und Bildern aus verschiedenen Walsergebieten herauszugeben.

Dieser Wunsch wurde mit dem neuen Buch, das an der Jubiläumsveranstaltung in Saas-Fee vorgestellt wurde, erfüllt. 29 Autorinnen und Autoren präsentieren darin ausgewählte Texte. Das Buch enthält auch kurze Einführungen zu den Walsergebieten und einen Abriss über das Walliser- und Walserdeutsche. 29 ganzseitige Bilder und weitere 71 in den Text eingestreute Aufnahmen aus den Walsergebieten bereichern das Buch. In einem Artikel vom 28.8.2012 im Walliser Boten ist zu lesen: „Die stimmungsvollen Bilder von Walserorten, idyllischen Landschaften und imposanten Bergen sind mehr als nur Illustrationen. Sie zeigen topografische und kulturelle Gemeinsamkeiten der Walser und vermitteln ein Gespür für das Alltagsleben in den Berggebieten.“ Informative Texte zu den Bildern mit wertvollen Informationen zu den Walserorten finden sich im Anhang. Portraits der dichtenden Walser und Walliser, einige Gedanken zum Walserdeutschen aus der Feder des Redaktors und weitere interessante Informationen zum Walserthema vervollständigen den Gedicht-, Geschichten- und Bildband. Der Anthologie ist auch eine CD beigelegt, auf der die Autorinnen und Autoren die Texte in ihrer Mundart vorlesen. Vorarlberg ist mit 13 von 29 Autorinnen und Autoren am zahlreichsten vertreten.

Als Redaktor wirkte Volmar Schmid, Vorstandsmitglied der IVfW. Die Bildredaktion besorgte Josef Eberle, von dem als Bildautor der Großteil der Aufnahmen stammt. Pünktlich zum Jubiläum ist der stattliche, 324 Seiten starke Text- und Bildband erschienen. Der Band ist eine schöne Bereicherung jeder Walser Hausbibliothek und eignet sich als wertvolles und bleibendes Geschenk für alle, die das Besondere lieben.

Bezug über Schweizer, Liechtensteiner und einige Vorarlberger Buchhandlungen und bei der Walserbibliothek Fontanella
Info: E. Burtscher, Tel.: +43 664 123 5517
Preis 48 CHF bzw. 32 €
ISBN 978-3906476-10-0

Elisabeth Burtscher

Bergtee

Es ist eine Geschichte
von Frauen und Kindern,
von Blättern und Blüten,
von Luft und von Sonne,
vom Sammeln und Trinken,
vom Erzählen und Zuhören.

Das Buch „Bergtee“ stellt auf 184 Seiten in Text und Bild ein gelungenes Projekt vor, wie es sich schon zehn Jahre lang im Großen Walsertal entwickelt hat. Es erzählt von den Menschen im Tal, die Kräuter sammeln und trocknen lassen, diese dann zur Sammelstelle bringen, wo köstliche, immer wieder neue Teemischungen entstehen. Die wertvollen Schätze der Natur bilden zwar die Basis für die ganze Geschichte, sind aber nicht im Innenteil des Buches zu finden. Die Gestalterin Marcella Merholz (Gassner Redolfi KG, Schlins) hat die bunte Vielfalt an Blättern und Blüten raffiniert im Buchumschlag versteckt.

Im Hauptteil erzählen die Bergteeleute Hanno Burtscher, Ilga Bickel und Elisabeth Burtscher, wie die Geschichte angefangen hat, von den Handgriffen, den Beweggründen, den Gedanken, von der Arbeitsweise und von den vielen Begegnungen mit den Menschen, die wir kennen oder als Gäste bewirten. Es sind Begegnungen über Generations- und Talschaftsgrenzen hinweg, die neu entstanden sind wie beispielsweise die Geschichte mit den Lecher Kräuterfrauen. Es ist ein Buch der Ehrfurcht vor der Natur und der Freude an der Arbeit. Viele persönliche Aussagen bringen das zum Ausdruck.

Welchen ökonomischen Stellenwert ein solches Projekt haben kann, beleuchtet die Wirtschaftsdozentin Dr. Barbara Fuchs aus ihrer Sicht und sie hat den Studierenden an der Universität Liechtenstein die Möglichkeit gegeben, andere Wirtschaftsweisen kennenzulernen. In einem dritten Teil zeigt Dipl.-Ing. Susanne Grasser Mittel und Wege auf, über die Kinder das Thema „Kräuter“ in die Familien und somit neu ins Bewusstsein der Talbewohner zu bringen. Das Buch soll Mut machen, Ideen aufzugreifen, wo auch immer sie auftauchen, und Geschichten daraus entstehen zu lassen.

Herausgeberinnen: Elisabeth Burtscher, Barbara Fuchs, Susanne Grasser.
Erschienen 2012 im Eigenverlag
Verein für Alternative Wirtschaft, In der Halde 9, FL-9492 Eschen.
Erhältlich überall, wo es den Bergtee gibt.
Info: E. Burtscher, Tel.: +43 664 123 5517
Preis: 65 €